Deutschland Gründerland?
In Deutschland ist es in erster Linie Mittelständlern zu verdanken, dass die deutsche Wirtschaft stabil ist. Doch im Gegenzug werden immer mehr kritische Stimmen laut, denen zufolge deutsche Politiker schlichtweg zu langsam agieren und zu wenige zukunftsträchtige Entscheidungen für die deutsche Wirtschaft treffen. Hierzulande ist noch mehr Gründergeist und Unternehmertum gefragt. Doch dieser Plan kann nur schwer in die Tat umgesetzt werden, da sich Vertreter etablierter Branchen immer schwerer durchsetzen müssen und nicht immer gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen sind.
Inhaltsverzeichnis
Sinkende Zahlen an Neugründungen
Ist Deutschland nun ein Gründerland oder nicht? Oberflächlich kann diese Frage durchaus bejaht werden. In vielen deutschen Großstädten sind zahlreiche Co-Working Spaces, Gründer und Startups ansässig, die die Welt mit ihren Geschäftsideen bereichern möchten.
Im Gegenzug beweist eine Analyse aktueller Studien, dass das deutsche Unternehmertum aktuell in einer Zwickmühle steckt. Wurden im Jahr 2001 noch 1,5 Millionen an neuen Unternehmen gegründet, sank die Zahl in den vergangenen Jahren auf einen historischen Tiefstwert von 550.000 neuen Betrieben.
Das bedeutet wiederum, dass die Anzahl an Unternehmensgründungen innerhalb von 17 Jahren um rund 65 Prozent sank.
Die stetig im Kontakt mit Gründern stehende deutsche Industrie- und Handelskammer gab in einer Statistik aus dem Jahr 2017 an, dass sich die Anzahl an sogenannten Initialgesprächen im Jahr 2016 deutlich reduzierte. Somit wurde in den vergangenen Jahren der niedrigste Stand seit 2001 erreicht.
Geringe Anteile im internationalen Vergleich
In internationalen Vergleichen lässt die DIHK Statistik ebenfalls deutliche Defizite im Gründungsgeschehen erkennen (zum DIHK-Gründerreport 2019). Werden hierzulande 4,4 Gründer auf 1.000 Erwerbstätige erreicht, beläuft sich dieser Anteil in Großbritannien auf 8,3 Gründer sowie in Israel auf 11,6 Gründer.
Außerdem betrachten nur 51 Prozent aller Arbeitnehmer einen Wechsel in die Selbständigkeit als erstrebenswert. Dieser Anteil beträgt in Großbritannien und Israel im Gegenzug 55 bzw. 62 Prozent. Eine Trendwende ist bislang auch nicht absehbar.
Viel Angst vor dem Scheitern
Gemäß Studien des Instituts YouGov sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind für diese Entwicklung in erster Linie drei Komponenten ausschlaggebend. Als Ergänzung zur komplizierten Finanzierung spielen die augenscheinlich florierende Wirtschaft sowie der vergleichsweise hohe bürokratische und administrative Aufwand eine tragende Rolle. Eine hohe Arbeitslosigkeit sowie die Unterauslastung der Volkswirtschaft beeinflussen die Unternehmensgründungen deutlich.
Da die wirtschaftliche Situation in Deutschland relativ stabil ist, wird auch nicht der Unternehmergeist deutscher Arbeitnehmer geweckt.
Zu wenige Menschen möchten den Schritt wagen, einen gut bezahlten Arbeitsplatz gegen den ungewissen Schritt in die Selbständigkeit einzutauschen. In Vergleichsstudien gaben rund 50 Prozent aller Deutschen an, zu viel Respekt davor zu haben, an der neuen Geschäftsidee zu scheitern. Laut einem Länderbericht des Global Entrepreneurship Monitors ist die Motivation zur Selbständigkeit nur dann überdurchschnittlich hoch, falls keine alternative Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Hierbei ist von sogenannten Necessity-Gründern die Rede.
Der Angestellten-Status bietet Sicherheit
Die meisten deutschen Erwerbstätigen tendieren deshalb zum Angestellten-Status. Zudem fließt die demografische Entwicklung in diesen Wandel ein. Gründungen nehmen deutsche Erwerbstätige im Regelfall im Alter von 25 bis 45 Jahren vor. Diesem Personenkreis gehören genau diese Jahrgänge an, die sich laut Statistik der DIHK ohnehin seit einigen Jahren minimieren. Zugleich steht gemäß Global Entrepreneurship Monitor vor allem die junge Generation der Gründung eines eigenen Unternehmens ablehnend gegenüber.
Weil das Gründungsgeschehen während der schulischen und akademischen Ausbildung keine wichtige Rolle spiele, fühlen sich Betroffene auch nicht für diesen Karriereschritt gewappnet. Deshalb sei es wichtig, dass Gründung und Unternehmertum die schulische Bildung maßgeblich beeinflussen sollten. Die YouGov-Studie aus dem Jahr 2015 zeigt ebenfalls auf, dass sich Jungunternehmer durch einen erschwerten Zugang zu finanziellen Mitteln nicht der Herausforderung stellen möchten. Das verhaltene Gründungsklima geht zudem mit politischen Tendenzen wie einer verschärften Arbeitsstättenverordnung oder dem hohen administrativen Aufwand einher. Im direkten Vergleich mit anderen westlichen Ländern sind bürokratische Hürden hierzulande wesentlich höher. Gründe wie diese schlagen in Untersuchungen mit mindestens 70 Prozent zu Buche.
Forderungen für einen verbesserten Gründergeist
Um Gründung und Unternehmertum in Deutschland zu fördern, sollten diese Themen bereits in den Lehrplan von Schulen integriert sein. Schließlich sollten bereits junge Menschen ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, selbständig tätig zu sein. Hierfür sind wichtige Grundlagenkenntnisse erforderlich, die wichtig sind, um den Weg in die Selbständigkeit erfolgreich zu begehen.
Allerdings müssten Lehrkräfte für diese Lehrinhalte auch entsprechend ausgebildet sein.
Weiterhin sollten sich Politiker auf Länder- und Bundesebene darauf spezialisieren, einen Einstieg in die Gründung zu erleichtern. Insbesondere in den vergangenen Jahren kümmerten sich Politiker schon darum, erste bürokratische Hürden abzubauen.
Zugleich brachte die Einführung der DSGVO wiederum neue bürokratische Hürden hervor, aufgrund denen der administrative Aufwand für eine Unternehmensgründung noch immer relativ hoch ist. Häufig sind Gründer gezwungen, Ansprechpartner und Institutionen wie Notare, Handelsregister, Gewerbeämter, Rentenversicherungsanstalten, Knappschaften, Berufsgenossenschaften, Finanzämter, Datenschutzbeauftragte sowie die IHK zu kontaktieren.
Eine erleichterte Finanzierung
Verbesserungsbedarf ist ebenfalls bei einer Finanzierung von Gründungen gefragt, um noch unbürokratischer an Fördermittel zu gelangen (Kredite für Selbständige). Deshalb sollten die Erwerbstätigen unterstützt werden, die mutig genug sind, ein Unternehmen ins Leben zu rufen. Keinesfalls darf es deshalb nur Kindern von Gutverdienern vorbehalten bleiben, eigene Geschäftsideen zu realisieren.
Zudem sollten etablierte Unternehmer junge Gründer dabei unterstützen, den Weg in Richtung Selbständigkeit zu finden. Ergänzend sollten mittelständische Firmen stärker mit Start-Up-Unternehmen kooperieren, um möglicherweise zusammen an neuen Technologien oder Geschäftsmodellen zu arbeiten. Keinesfalls darf Selbständigkeit in Deutschland als Stigma betrachtet werden.