Wirtschaft

Überstunden – Worauf müssen Mitarbeiter und Chefs achten?

Überstunden - Worauf müssen Mitarbeiter und Chefs achten?
Überstunden - Worauf müssen Mitarbeiter und Chefs achten? - Bild: © Jacob Lund #215484757 – stock.adobe.com

Nicht immer ist es üblich, dass Klischees und die Realität übereinstimmen. Doch in deutschen Unternehmen sieht es anders aus. Der Blick hinter die Kulissen verrät, dass die gängige Meinung stimmt und Führungskräfte, Ärzte sowie Rechtsanwälte besonders viel arbeiten. Statistisch müssen ebenfalls Maurer, Metallbauer sowie Hoch- und Tiefbauer überdurchschnittlich viele Überstunden in Kauf nehmen.

Doch wann sind Überstunden eigentlich zulässig und wann müssen diese ausbezahlt werden?

Die Anzahl an Überstunden schwankt von Branche zu Branche

Zusätzliche Arbeit nach Feierabend gehört in Deutschland zum Arbeitsalltag dazu. Informationen des Sozioökonomischen Panels zufolge schwankt die Mehrbelastung zwischen einzelnen Branchen jedoch deutlich. In der Liste der Berufe mit der höchsten Arbeitsbelastung sind auf den vorderen Plätzen besonders viele Handwerksberufe vertreten.

Deshalb müssen zahlreiche Handwerker wesentlich mehr Stunden arbeiten, als es deren Arbeitsvertrag vorsieht. Allerdings ist dieses Engagement in der Praxis mit juristischen Problemen verbunden.

Wann sind Überstunden überhaupt gestattet?

Vorgesetzte dürfen Mehrarbeit nur für die vertraglich festgelegte Tätigkeit einfordern. Darauf verweist Helga Nielebock als Rechtsexpertin des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des DGB. Grundsätzlich muss das Ausmaß an Überstunden auch in dem Arbeitsvertrag geregelt sein. Reguliert eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag hingegen engere Grenzen, sind diese Richtlinien gültig.

Im Regelfall ermächtigen Arbeitsverträge die Vorgesetzten eines Unternehmens dazu, Mitarbeiter im Bedarfsfall zu Mehrarbeit zu verpflichten.

Allerdings müssen für diese Entscheidung spezielle Gründe vorliegen – beispielsweise die Sorge darüber, dass besonders wichtige Aufträge nicht rechtzeitig erfüllt werden können. Generell ist jedoch kein Mitarbeiter dazu verpflichtet, dauerhaft und stetig mehr Arbeitsstunden zu leisten als vertraglich vereinbart ist. Schließt ein Arbeitsvertrag beispielsweise eine 40-Stunden-Woche ein, ist diese Anzahl die reguläre Arbeitszeit und nicht der Mindestsatz. Andererseits dürfen Chefs anordnen, dass ihre Beschäftigten im Bedarfsfall länger arbeiten müssen. Dennoch dürfen Vorgesetzte keine grenzenlose Mehrarbeit einfordern. Stattdessen ist es wichtig, sich beim Thema Überstunden an den Richtlinien des Arbeitszeitgesetzes zu orientieren.

Zu Mehrarbeit verpflichten - Überstunden
m Regelfall ermächtigen Arbeitsverträge die Vorgesetzten eines Unternehmens dazu, Mitarbeiter im Bedarfsfall zu Mehrarbeit zu verpflichten – Bild: © Alina #208047495 – stock.adobe.com

Die durchschnittliche Belastung der Arbeitnehmer darf nicht dauerhaft übermäßig beansprucht sein

Dieses Gesetz schließt beispielsweise Regelungen ein, denen zufolge Arbeitnehmer pro Woche nicht mehr als 48 Stunden arbeiten dürfen. Deshalb dürfen beispielsweise Schreiner, Dachdecker oder Fliesenleger nicht generell an sechs Tagen in der Woche täglich acht Stunden arbeiten, ohne gegen gesetzliche Richtlinien zu verstoßen. Sind in einem Arbeitsvertrag allerdings Arbeitszeiten von 40 Stunden in der Woche von Montag bis Freitag vereinbart, sind acht Überstunden je Woche auch problemlos gestattet.

In Ausnahmefällen kann sich die Arbeitszeit je Woche sogar auf bis zu 60 Stunden erhöhen. Schließlich erlaubt das Arbeitszeitgesetz in Ausnahmesituationen eine tägliche maximale Arbeitszeit von jeweils zehn Stunden. In diesem Fall muss jedoch abgesichert sein, dass die durchschnittliche Belastung der Arbeitskräfte über ein halbes Jahr hinweg wieder auf acht Stunden reguliert wird. Zudem ist es unerlässlich, zwischen zwei Schichten eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden einzuhalten.

Belange von Mitarbeitern berücksichtigen

Ordnen Arbeitgeber die Mehrarbeit an, müssen die Belange und Anliegen der Mitarbeiter dennoch berücksichtigt werden. Stimmt ein Mitarbeiter der Durchführung der Überstunden für einen bestimmten Tag nicht zu, müssen die Vorgesetzten genau überprüfen, ob die Aufgaben tatsächlich so dringend sind oder von einem Kollegen übernommen werden können.

Ein Unternehmen muss es akzeptieren, wenn Mitarbeiter aufgrund privater Verpflichtungen keine Überstunden leisten können.

Aus juristischer Sicht dürfen Angestellte grundsätzlich auf ihr Recht bestehen, Überstunden zu verweigern – es sei denn, die Verpflichtung zur Mehrarbeit geht auf einen echten Notfall zurück.

Vorschriften aus Arbeits- und Tarifverträgen

Sehen die Arbeits- und Tarifverträge keine konkreten Regelungen für die Überstundenvergütung vor, kommt es auf den Einzelfall an. So dürfen Arbeitnehmer problemlos die Vergütung für die Extraschicht einfordern, falls Vorgesetzte die Mehrarbeit angeordnet oder stillschweigend den die Mehrstunden dokumentierenden Stundenzettel unterzeichnet haben.

Liegt hingegen keine ausdrückliche Regelung, Billigung oder Anordnung vor, dürfen Angestellte auch keinen generellen Vergütungsanspruch einfordern. In diesen Fällen orientiert sich die Rechtssprechung an der Frage, inwiefern Arbeitnehmer unter den konkreten Umständen eine Vergütung erwarten dürften oder nicht. Beispielsweise gab das Bundesarbeitsgericht zu verstehen, dass insbesondere Arbeitnehmer mit geringem Gehalt einen Anspruch auf zusätzliches Geld für Extraleistungen haben.

Besserverdiener müssen ein gewisses Pensum an Überstunden unbezahlt leisten

Dieser Entscheidung liegt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit dem Aktenzeichen 5 AZR 765/10 zugrunde. Im Umkehrschluss lässt dieses Urteil allerdings darauf schließen, dass Besserverdiener nicht grundsätzlich darauf bestehen dürfen, mehr Geld für Überstunden zu erhalten. Als Grundlage für diese Entscheidung gilt eine finanzielle Grenze für Arbeitnehmer, deren monatliches Bruttogehalt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.

Wer ein monatliches Bruttoeinkommen von 6.700 Euro in den alten sowie 6.150 Euro in den neuen Bundesländern bezieht, sollte nach Feierabend auch gelegentlich kostenfrei arbeiten.

Detaillierte Regelungen im Arbeitsvertrag

Allerdings versuchen einige Arbeitgeber, eine Vergütung von Überstunden komplett zu vermeiden. In diesem Fall fügen die Arbeitgeber eine Klausel in Arbeitsverträge ein, derzufolge “etwaige Überstunden mit dem regulären Gehalt abgegolten sind”. Allerdings sind solche Formulierungen nicht ausreichend, um Beschäftigten keine Ansprüche zuzugestehen. Damit solche Abgeltungsklauseln als gerichtsfest gelten, sollen die Arbeitsverträge eindeutig definieren, welche Anzahl an Überstunden durch die reguläre Vergütung abgegolten ist.

Generell räumt die Rechtssprechung eine pauschale Abgeltungssumme von maximal 20 Überstunden pro Monat ein.

Überstunden abfeiern oder auszahlen lassen? Was ist die bessere Entscheidung?

Mittlerweile hat es sich eingebürgert, Überstunden nicht zu vergüten, sondern den Arbeitnehmern als Freizeitausgleich zu gewähren. Deshalb ist es in vielen Betrieben üblich, dass die Mitarbeiter in Zeiten mit geringer Auslastung zusätzliche Freizeit erhalten – bezahlt. An dieser Regelung gibt es grundsätzlich nichts auszusetzen. Allerdings dürfen Angestellte auch nur dann auf diesen Anspruch bestehen, falls die Option ausdrücklich im Arbeitsvertrag erwähnt ist. Ist hingegen vertraglich vereinbart, dass Mehrarbeit stets in Geld bezahlt wird, muss die Vergütung auch tatsächlich geleistet werden. Vorgesetzte dürfen in diesem Fall nicht anordnen, dass Arbeitnehmer die Mehrarbeit abfeiern müssen.

Steht den Arbeitnehmer ein Recht auf Freizeitausgleich zu, dürfen diese auch nicht nach eigenem Ermessen darüber bestimmen, wann sie die Überstunden abfeiern. Vielmehr müssen diese Regelungen individuell mit dem Chef abgestimmt werden.