Venedig verlangt in Zukunft Eintritt
Zukünftig möchte Venedig von Tagesbesuchern Eintritt verlangen. Diese Maßnahme soll den Massentourismus in der Lagunenstadt entgegenwirken.
Inhaltsverzeichnis
Nur langsames Aufatmen
Viele Einwohner Venedigs sehnen sich die Herbstzeit herbei. Wieder ist eine Saison vorüber, in der es zur Sommerzeit in der italienischen Stadt nur so von Besuchern wimmelt.
Zweifelsohne ist Venedig eines der bekanntesten und beliebtesten Reiseziele weltweit.
Im Herbst herrscht in den Gassen rund um die Rialtobrücke und den Markusplatz noch immer reges Treiben. Überall ist das Geräusch rollender Koffer hörbar. Backpacker und Kreuzfahrturlauber geben sich die Klinke in die Hand. Aufatmen können die Gastgeber deshalb nur langsam.
Negativfolgen des Overtourism
Die Bezeichnung „Overtourism“ ist eine gesteigerte Form des Massentourismus, die neben positiven auch zahlreiche negative Effekte verdeutlicht. Nun hat die Lagunenstadt möglicherweise eine Lösung gefunden, um sich zukünftig von dieser Extremform des Massentourismus zu distanzieren.
Ab dem nächsten Jahr sollen all die Kurzbesucher fünf Euro Eintrittsgeld bezahlen, die nur für wenige Stunden in der italienischen Stadt verweilen möchten. Diese Regelung gilt zwar nur für einige Tage, ist jedoch besser als nichts.
Diskussionen seit längerer Zeit
Diese Zugangsgebühr ist ein Thema, über das in Venedig schon seit längerer Zeit diskutiert wird. Mehr als fünf Millionen Besucher statten der Lagunenstadt alljährlich einen Besuch ab.
Zur Hochsaison schlendern pro Tag mehr als 100.000 Fremde durch die Stadt.
Eine beträchtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass in Venedig nur rund 50.000 Menschen dauerhaft zu Hause sind. Mittlerweile gibt es in ganz Venedig mehr Betten für Gäste als für einheimische Bewohner. Besonders negativ stößt den Gastgebern die Mehrheit an Tagesurlaubern auf. Viele Besucher und vor allem Kreuzfahrttouristen kommen morgens in der Stadt an und verlassen diese abends wieder.
Gleichgewicht der Interessen
Die Zahlung des Eintrittsgelds soll in den Augen von Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro dazu beitragen, ein „Gleichgewicht der Interessen“ zwischen Einwohnern und Touristen zu erzielen. Der Mitte-Rechts-Politiker hegt diese Pläne schon seit längerer Zeit. Doch die Diskussion wurde bislang schon mehrfach verschoben. Zwischenzeitlich war von einem Eintrittsgeld von zehn Euro pro Person die Rede – an allen Tagen des Jahres.
Doch nun einigten sich die Gastgeber auf eine andere Regelung. Im Jahr 2024 sollen Kurzbesucher das Eintrittsgeld an insgesamt 30 Tagen zahlen müssen, an denen in der Lagunenstadt besonders reges Treiben herrscht – wahrscheinlich an Ostern und zur Karnevalszeit. Genaue Termine sind bislang noch nicht festgelegt. Besucher sind verpflichtet, sich online einen QR-Code zu besorgen und den Code anschließend aufs Handy zu laden.
Kontrollen an Anlegestellen und Bahnhöfen
Kontrollen des Venedig-Tickets erfolgen vermutlich an den Anlegestellen der Bahnhöfe sowie am Bahnhof. Personen ohne QR-Code sind verpflichtet, eine Geldbuße in Höhe von 50 bis 300 Euro zu entrichten. Kinder unter 14 Jahren sind von der Regelung ausgeschlossen.
Die geschätzten Zusatzeinnahmen von sechs Millionen Euro sollen in die Aufrechterhaltung bzw. Sanierung der Stadt investiert werden. Einige Experten sind über die Einführung der Gebühr geteilter Meinung. Ihrer Meinung nach wird die Zahlungspflicht die meisten Besucher vermutlich nicht von einem Stadtbummel abhalten.
Ob Gondelfahrt oder Cocktails in der Nähe der Rialtobrücke. Wer Venedig in vollen Zügen genießen möchte, muss für dieses Reisevergnügen generell recht tief in die Tasche greifen.
Venedig in einer kritischen Situation
Insbesondere Geschäftstreibende Venedigs sind von der Idee nur wenig begeistert. Es entwickelten sich sogar schon einige Bürgerinitiativen, die der Kommune vorwerfen, dass die Gebühr nicht ernst gemeint sei. Einer Berechnung der Zeitung „Corriere della Sera“ zufolge würden die erwarteten Einnahmen gerade dazu genügen, die Kontrollen und die damit verbundene Infrastruktur zu finanzieren.
Für Kritiker liegt es deshalb auf der Hand, dass der Beschluss zum aktuellen Zeitpunkt ganz bewusst gewählt wurde.
Hintergrund sind Beratungen seitens der UNESCO zu der Frage, ob Venedig in Zukunft auf der Roten Liste bedrohten Weltkulturerbes vermerkt wird.
Irreversible Änderungen
Im Juli rieten Experten der UN-Kulturorganisation zu der Listung, weil die Lagune und die Stadt irreversiblen Anpassungen ausgesetzt ist. Diese Änderungen seien eine Folge des Klimawandels sowie des Massentourismus. Mit dieser Einstufung befindet sich Venedig auf einmal auf einer Liste mit Kriegsregionen Odessa oder Damaskus.
Dieses Rufs möchte sich die Kommune so schnell wie möglich wieder entledigen. Diese internationalen Schlagzeilen möchte Bürgermeister Brugnaro nun zu seinen Gunsten nutzen.